Werkstatt

Die Transformatorenwerkstatt ist ein eigenes experimentelles Format des Transformatorenwerkes Leipzig. Dieses Projekt ist darauf angelegt, sich gemeinsam und in Zusammenarbeit mit Gästen über einen gewissen Zeitraum regelmäßig einen ganzen Tag lang an wechselnden Orten mit einer für alle bedeutsamen Sache, die mit dem Themenfeld „Transformation“ zu tun hat, zu beschäftigen.

Eine erste zentrale und zugespitzte Forschungsfrage lautet dabei: Was ist uns jetzt noch möglich? Konkret: Was ist uns jetzt, unter den gegebenen Lebensumständen, noch möglich im Hinblick auf die eigenen Vermögen? Was gilt es zu entwickeln bzw. zu transformieren? Auf was soll man sich konzentrieren – was ist wesentlich und was eher unwesentlich?

In der Werkstatt spielt die Dialektik von Anderen-Transformation-Nahebringen-Wollen und der Selbsttransformation der Akteure (des Transformatorenwerkes) eine besondere Rolle. Der Fokus liegt derzeit auf dem Bereich Selbsttransformation. – Das heißt, Primat hat die Erweiterung der eigenen Vermögen. Insofern steht die je eigene Lebensform im Zentrum, auch das Ernstnehmen einer Sache, dokumentiert auch durch Einsatz und Zeit im Hinblick auf das Engagement für die Werkstatt, wobei sich dann je konkret für den einzelnen die Frage stellt: Funktioniert das mit der eigenen Selbsttransformation überhaupt im Rahmen einer Werkstatt? Und wenn nein: Warum nicht? Wenn ja: Wie wirkt sich die Transformation des Selbst auf die eigene Lebensform aus? Wie lässt sich das überhaupt feststellen? Wie lassen sich ändernde Praxen in die eigene Lebensform integrieren? Inwieweit ändert sich dabei die Lebensform selbst? Inwieweit und auf welche Art kommen Soziales und Gesellschaftliches in den Blick? Kann es also gelingen, über derartiges Reflektieren und Wirken über das individuelle Ich hinauszuwachsen und sich, wie es einst in den Schulen bei Platon oder Aristoteles angestrebt war, zu einer universellen Sicht aufzuschwingen? Wie lässt sich die pathische Dimension des ‚Widerfahrens‘ in das Denken und die Praxis der Transformation einbeziehen? Auf welche Weise zeigt sie sich?

Die Teilnehmer der Werkstatt und die Gäste kommen aus ganz unterschiedlichen Feldern und bringen Erfahrungen von dort mit: aus dem Theater, der Performancekunst und der Literatur ebenso wie aus der akademischen Philosophie, der philosophischen Praxis, dem Coaching und der Mediation. In der Werkstatt wird entsprechend zugleich erforscht, was gerade die interdisziplinäre Auseinandersetzung mit Transformation und Selbsttransformation, die eben nicht nur eine rein theoretische bzw. intellektuelle sein soll, mit den teilnehmenden Akteuren der Werkstatt macht –Ab wann und wo finden spürbare Veränderungen statt? Wie lassen sie sich bewirken, lenken usw.? Wofür reichen eigentlich die eigenen Kräfte und was führt in eine Überforderung? Dabei werden auf einer praktischen und künstlerischen Ebene gezielt Experimente und Erfahrungen gemacht auf einer philosophischer Ebene Begrifflichkeiten geklärt und Erfahrungen reflektiert.

In den letzten Monaten ist dabei das Phänomen Fremdheit zu einem wichtigen Forschungsgestand der Werkstatt geworden, denn gerade Fremdheitserfahrungen sind nicht nur vielfach Auslöser, sondern auch ‚Begleiterscheinungen‘ von Transformationsprozessen. Es stellen sich deshalb Fragen wie: Was machen Fremdheitserfahrungen mit uns? Wie lässt sich produktiv mit ihnen umgehen? Es geht um die Entwicklung von Fremdheitskompetenz, die neben der Selbstkompetenz als ein wesentliches Element der heute als wichtiger denn je erachteten interkulturellen Kompetenzen gesehen werden kann. Damit sollte auch deutlich werden, dass es bei der Forschungsarbeit der Transformatorenwerkstatt insgesamt nicht um bloße alteritätslose Selbstbespiegelung geht, sondern immer ein gesellschaftlicher Bezug existiert.

Die Transformatorenwerkstatt ist ein Ort und Medium der Begegnung, in der sich gemeinsame Reflexion, Transformation und Kommunikation ereignen können. Hier vollzieht sich Philosophische Praxis – das heißt Philosophie nicht allein als Theorie, sondern als Phänopraxie bzw. als transformative Phänomenologie, wie sie in den Texten von Heinrich Rombach und Rolf Elberfeld angedacht worden ist. Kritische Selbstprüfung kann, das zeigt die Erfahrung, in der offenen „Labor“-Atmosphäre der Werkstatt tatsächlich gelingen. Hier realisiert sich das, was Karl Jaspers einmal als die Forderung der Philosophie richtete:

„ständig Kommunikation suchen, sie rückhaltlos wagen, meine trotzige, sich in immer anderen Verkleidungen aufzwingende Selbstbehauptung hingeben, in der Hoffnung leben, daß ich mir unberechenbar wiedergeschenkt werde aus der Hingabe. Daher muß ich ständig mich in Zweifel ziehen, darf nicht sicher werden, mich nicht halten an einen vermeintlichen festen Punkt in mir, der mich verläßlich durchleuchte und wahr beurteile. Solche Selbstgewißheit ist die verführendste Form der unwahrhaftigen Selbstbehauptung.“